von | Mai 4, 2021 | Meditation, Yoga

Unsere Wahrnehmung

In letzter Zeit merke ich wieder wie stark ich in meiner eigenen Wahrnehmung gefangen bin. Es scheint mir fast unmöglich zu sein die Realität objektiv wahrzunehmen, ganz egal ob es das Gegenüber, die Stadt/Umfeld, eine Situation oder ich selbst bin.

Stets male ich ein Bild der Person und höre, sehe, spüre und verstehe nur was ich ich will und lenke meine Wahrnehmung auf spezifische Dinge, die mein bereits vorgezeichnetes Bild unterstützen. Ich bestätige damit sehr oft einfach meine Einstellungen und urteile anstatt wirklich von Moment zu Moment wahrzunehmen was mein Gegenüber wirklich aussagt oder wie sich die Person vielleicht auch verändert hat. Ganz gut wird das ersichtlich bei alten Freund*innen, gegenüber denen sich die Wahrnehmung manchmal seit der Schulzeit nicht groß verändert hat, obwohl die Person nun eine komplett andere ist.

Das ist letztlich ein Schubladendenken in einer noch krasseren Form. Warum mache ich das? Weil es einfacher ist. Und weil es mir dann einfacher fällt die Handlung, die Aussagen und die Person an sich auf mich zu beziehen. Nicht selten bemängeln wir ja auch hauptsächlich Dinge an der anderen Person, die wir an uns selber kritisch betrachten. Es kann aber auch in’s Gegenteilige umschwenken, wenn ich eine Person unbedingt mögen oder lieben will. Dann sehe ich auch wieder nur die positiven Dinge, die meine Gefühle bestätigen.
All das lässt mich darauf schließen, dass es echt sehr schwierig ist sich wirklich auf mein Gegenüber einzulassen und die echte, reale Person zu sehen.
Das soll gar nicht so negativ klingen, wie es sich vielleicht anhört. Ich denke aber, dass das Anerkennen des Ganzen der erste Schritt in eine Welt mit mehr echten und wahren Gesprächen und Auseinandersetzungen ist.

Ich male aber nicht nur ein Bild von anderen Menschen und nehme nur dies wahr. Das gleiche passiert natürlich auch bei mir selbst. Anstatt wirklich die Realität objektiv wahrzunehmen werden Empfindungen wiederholt, die zu gewohnten Ängsten, Erwartungen oder Reaktionen führen. Anstatt die Situation wirklich zu sehen bemerke ich gar nicht wie sich ein redundanter Film abspielt, der mich in einer Situation zeigt und mich wahlweise als Held oder Opfer der Geschichte zeichnet. Dabei passiert aber höchstwahrscheinlich gerade etwas komplett neues/anderes und Anstatt unvoreingenommen zu reagieren, spielen sich bekannte Verhaltensmuster ab und ich erhöhe oder erniedrige mich selbst. Dieses affektierte Verhalten lässt sich langsam und stetig auflösen, auch wenn es natürlich anstrengend ist. Aber man baut dadurch die Vorurteile sich selbst gegenüber ab und kommt sich selbst ein bisschen näher. Und kann dadurch gefühlvollen mit sich und daher auch mit seiner Umwelt umgehen.

Nicht nur male ich Bilder von anderen und mir selbst. Nein, auch von mir werden ständig Bilder gemalt. Als „Yogi“, Filmemacher, Mann, Freund, Liebhaber, etc. Dabei werden mir Qualitäten und Eigenschaften zugeschrieben und natürlich auch oftmals nicht zugetraut. Ich kann mir sicher sein, dass mich mein Gegenüber nicht zu 100% sieht und versteht. Wie auch, schaffe ich es ja selbst nicht einmal. Da ich aber ebenfalls als Projektionsfläche für andere benutzt werde, hat eine Zu- oder Abneigung mir gegenüber meist mehr über die andere Person, als über mich zu sagen. Passen unsere Weltanschauungen, Ausrichtung, etc zusammen? Wird vielleicht etwas herausgepickt, was (nicht) passt?
Damit meine ich gar nicht, dass ich keine Verantwortung im Zusammenleben habe, das Fundament dessen ist natürlich ein so gewaltloser, ehrlicher und authentischer Umgang miteinander wie es geht. Aber ich kann mir sicher sein: wenn ich für eine Person wie auch immer geartet nicht passend bin, dann wird diese Person ihre Gründe dafür haben. Und diese Gründe sagen (öfter) weniger über mich, als über die Person aus. Und das meine ich gar nicht negativ. Denn ich weiß, dass es mir ja genauso geht.

Manchmal vermisse ich diese Nächte, die Partys, die langen Gespräche und den Sonnenaufgang am nächsten Tag. Aber dann fühle ich mich einfach so wohl, dass ich am nächsten Morgen aufwache, keinen Kater habe und mich immer noch an all die Dinge erinnern kann, die letzte Nacht passiert sind.